Chasing Shadows: Vol. 1: Chris Watts

30 Oktober - 2 Dezember 2025

"In meiner Praxis untersuche ich alchemische Heilung durch das Ergründen und Anordnen von Farbe und Form im Raum. Beeinflusst von sakraler Architektur und subtilen Einflüssen kunsthistorischer Konventionen regen meine Arbeiten Dialoge über kollektive Heilung, radikale Sichtbarkeit, Erinnerung und die Neubetrachtung heiliger Orte an.“ – Chris Watts

Bode freut sich sehr, Chasing Shadows: Vol. 1 anzukündigen, eine Einzelausstellung mit Arbeiten des in New York lebenden Künstlers Chris Watts. Es ist Watts’ zweite Soloausstellung in der Galerie, die ein umfangreiches neues Werkensemble präsentiert.

 

Was wäre, wenn Fenster Geschichten erzählen könnten? Geschichten dessen, was durch sie hindurch gesehen wurde. Erzählungen, so unmittelbar wie gestrige Geschehenisse und so fern wie die Geschichte selbst. Geschichten darüber, wer durch ihre transparenten Barrieren blickte, aus welcher Wirklichkeit in eine andere hinüber, und Geschichten darüber, was sich auf der gegenüberliegenden Seite offenbarte. Was wäre, wenn Fenster uns alles zeigen könnten, was sie jemals gezeigt haben, und so nicht nur ein Portal zwischen Innen und Außen wären, sondern zwischen unzähligen anderen Dimensionen von Zeit und Raum, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, dem Greifbaren und dem Unfassbaren?

 

In der Betrachtung von Chris Watts’ Arbeiten kann man sich leicht vorstellen, dass Gedanken und Reflexionen wie diese durch den Kopf des Künstlers wanderten, während er seine multimedialen Werke schuf, die mit den definitorischen Grenzen der Malerei spielen. Und auch wenn Merkmale wie Semitransparenz, teilweise sichtbare Strukturen und vor allem ihre glasartig glänzende Harzoberfläche formal an Fenster erinnern, öffnen sich die Arbeiten doch in einen weit komplexeren Erfahrungsraum. In seiner Praxis, die Watts selbst als Arrangieren von Form und Farbe im Raum beschreibt, verfolgt er eine fortwährende Erforschung von Oberfläche und sinnlicher Wahrnehmung in Wechselwirkung mit architektonischen Elementen, um ein gesteigertes Bewusstsein für Körper und Emotionen in Beziehung zur spirituellen Resonanz seiner Werke zu schaffen. Watts sagt: „Die Gemälde sprechen von dieser schwebenden Atmosphäre jenseits verstandesmäßiger Klärung. Ein Raum der Befreiung für das Ungesehene. Seit ich mit verschiedenen, sowohl historischen als auch einheimischen Pigmenten arbeite, denke ich viel über alternative Kosmologien innerhalb traditioneller indigener Wissenssysteme nach, um Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Heilung für historisch marginalisierte Gemeinschaften und unser Verhältnis zu Raum und Ort innerhalb der Black Radical Imagination zu verhandeln.“ Ausgehend von der Frage „Where are you really from?“ untersucht Watts  kollektive Erinnerungen, die Geschichten von Widerstand und von der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit des schwarzen Körpers in Raum und Gesellschaft erzählen.

 

Seide oder Poly-Chiffon bilden die Basis seiner Werke, gespannt über architektonische Konstruktionen und mit Harz überzogen. Durch seine Arbeit mit Pigmenten entsteht jene ätherische Qualität: Watts sammelt und mischt Pigmente aus aller Welt und bleibt stets tief verbunden mit ihren jeweiligen Geschichten und kulturellen Bedeutungen. Diese Farbstoffe können ebenso gut von den Straßen New Yorks stammen, wie sie ihm von einem peruanischen Schamanen übergeben worden sein können. Jedes Pigment trägt eine eigene Geschichte und Resonanz. Auf dieser Reise werden sie zu kosmologischen Vermittlern, die Tradition, Ritual und alternative Formen der Wissensweitergabe verbinden. So manifestieren sie sich in den Werken als Brücke zwischen greifbaren und immateriellen Sphären. Verwurzelt inmitten von Ritualität und Improvisation, lauscht Watts schöpferischer Prozess seinem Material. Der Unvorhersehbarkeit der materiellen Reaktionen folgend, wird ein Dialog zwischen Pigment, Oberfläche und Raum eröffnet, der jenseits formaler Qualitäten die lebendige und responsive Natur der Arbeiten offenbart. Die einfache Analogie zum Fenster längst überschritten, agieren die Werke als Schalter in ein alternatives, vielschichtiges Gefüge von Räumen. Während sie meditative Sphären und Begegnungen mit dem Immateriellen eröffnen (denn es ist kaum Zufall, dass sie an Kirchenfenster aus Buntglas erinnern) bleiben sie zugleich als physische, unbewegliche Objekte verankert und behaupten sich als autonome Kunstwerke. Man kann sie an- und durchschauen, eine Dualität, die es schwer macht zu bestimmen, wo das Bild tatsächlich entsteht. Es ist eine mehrdeutige Fläche, die sich weder vollständig auf das Werk selbst noch allein auf seine Oberfläche reduzieren lässt.

 

Unsere gewöhnlichen Fenster werden niemals in der Lage sein, von ihrer Vergangenheit zu erzählen oder als Archiv ihrer sich wandelnden Umgebung zu fungieren, Watts verleiht seinen Werken jedoch eine einzigartige, aufschlussreiche Stimme, um genau das zu tun.

 

Text: Maren Möhlenkamp